Die Spinnenfrau

 

Louise Bourgeois, ›Maman‹, hier in einer Präsentation in Zürich


 

 

 

 

 

 

 

 

Am Ufer des spanischen Flusses Nervión lauert auf spindeldürren Beinen eine über neun Meter hohe Spinne. Weiße Eier schimmern an ihrem knotigen Unterleib, ganz so, als würde sie mit ihrer scheußlichen Brut bald die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzen. Die Spinne ist natürlich aus Bronze, die Eier aus Marmor, und sie gehört dem Guggenheim-Museum in Bilbao. Sie ist eines der herausragenden Kunstwerke der neunziger Jahre. Louise Bourgeois, die kürzlich verstorbene Grande Dame der Skulptur, hat sie geschaffen. ›Maman‹, ihr zärtlicher Name, will gar nicht so recht zu dem Furcht einflößenden Wesen passen. Aber der Schlüssel liegt, wie bei so vielen ihrer psychologisch befrachteten Werke, in der Kindheit von Bourgeois. […]

Spinnen hatte Louise Bourgeois schon 1947 gezeichnet, aber erst in den neunziger Jahren formte sie die Tiere aus Metall. »Die Spinne ist eine Ode an meine Mutter. Sie war meine beste Freundin. Wie eine Spinne war auch meine Mutter eine Weberin«, erklärte die Künstlerin einmal und führte weiterhin die Klugheit der Tiere, ihren Fleiß, die Fähigkeit zur Selbstverteidigung, aber auch ihre Zerbrechlichkeit an. Und trotzdem bleibt ein bisschen Horror. Vielleicht hat sie sich retrospektiv aber auch einen unbewussten Kindheitswunsch erfüllt. Schließlich gibt es in der Natur einige Exemplare, die nach dem Geschlechtsakt die Männchen einfach auffressen.

https://www.cicero.de/kultur/zwischen-traum-und-trauma/41110

Die Spinnen sind zu einem der Markenzeichen von Louise Bourgeois geworden. Ansätze zu einer Interpretation sind oben vorgestellt. Wir werden uns inhaltlich mit der Künstlerin und ihren Spinnen später intensiver beschäftigen.