In Szene gesetzt?

Im Blog waren fünf Fotografien gegeben und die Frage war gestellt, ob es sich bei diesen um ›inszenierte Fotografie‹ handele.

Dies war nicht in allen Fällen leicht zu entscheiden. Neben einem eindeutigen Bild hatte ich bewusst solche ausgesucht, deren Zuordnung nicht unbedingt eindeutig war. Daher gab es bei der Bewertung nicht immer ein ›richtig‹ oder ›falsch‹; bei den Noten wurde als weiteres Kriterium die Qualität der Begründung und die Klarheit der Sprache hinzugezogen.

 










 


 

Im Folgenden versuche ich eine persönliche Wertung vorzunehmen. In meinen Begründungen finden Sie Kriterien, die Ihnen beim Verstehen des Themas und beim Anfertigen der kommenden Aufgaben helfen sollen.

Das erste Bild zeigt einen Schatten einer Frau. Die meisten Schüler waren sich sicher, dass dies kein inszeniertes Foto sei. In der Tat ist es zwar nicht unmöglich, aber auch nicht naheliegend, mit diesem Foto auf eine erzählte Geschichte schließen zu können. Insofern sehe ich es auch so, dass keine Inszenierung vorliegt. Allerdings haben auch viele Kursteilnehmer geschrieben, dies sei ein Schnappschuss, eine zufällig entstandenes Foto. Das sehe ich nicht so. Dieses Foto ist sehr gut komponiert, der Aufbau ist durchdacht und konstruiert. Der Schatten der Frau weist von der Bildmitte in die rechte untere Ecke. Der Kopf befindet sich genau in dem Wasserfleck. Das ist kein Zufall. Eine der Kursteilnehmerinnen schrieb, dass der Fleck so wie ein Heiligenschein wirke. Gut gesehen! Insofern sehe ich dieses Bild als eine von Komposition, Verteilung der Hell-/Dunkelwerte und durch den sparsamen, aber gekonnten Einsatz von Farbe sehr gute Fotografie an, die jedoch eher keine inszenierte Fotografie ist. 

Das zweite Bild wurde vom Kurs sehr unterschiedlich eingeschätzt. Diejenigen, die es für inszeniert hielten, führten den Einsatz von bunten Lichtern an und die Tatsache, dass alle Personen in die gleiche Richtung schauen. Das reicht jedoch nicht aus. Ich denke, wie die andere Gruppe von Schülern, dass es sich hier um ein Foto einer Freundesgruppe bei einem Kirmesbesuch handelt. Und bunte Lichter sind eben auf einer Kirmes; bei einem Gruppenfoto schauen meist alle in die Kamera – zudem ist die Belichtung so schlecht, dass eine Person völlig im Schatten liegt. Also: kein inszeniertes Foto.
Das nächste Foto mag qualitativ nicht so gut sein wie das erste; die Komposition ist nicht schlecht, aber sehr konventionell, die Verteilung der Graustufen ist langweilig. Aber die Person trägt eine sicher extra für dieses Foto angelegte Maske. Sie nimmt eine Pose ein, die nicht den alltäglichen Bewegungen entspricht. Auf dem Bild finden sich Requisiten, Bierflasche und Tüte, die sich stimmig in die Graffiti-Umgebung einfügen. Ein eher inszeniertes Foto. Ob wir die Geschichte, die mit ihm erzählt werden soll, verstehen, ist zweitrangig. Wenn in der Schule der Text eines Schriftstellers, z.B. Goethes, gelesen wird, verstehen längst nicht alle den Text – und der bleibt dennoch Literatur.

Beim nächsten Foto waren sich fast alle einig, dass es sich um ein inszeniertes Foto handelt. Dem stimme ich zu. Eine perfekte Komposition, die durch die sehr gute Lichtführung noch unterstützt wird. Die Handlung – ein Gewaltverbrechen – ist klar zu erkennen. Jeder Betrachter ist sofort in der Lage, sich eine Geschichte vorzustellen, in der diese Situation vorkommt. [Dabei ist es nicht notwendig, dass alle sich die gleiche Geschichte vorstellen. Ein gutes Bild, ein guter Text zeichnet sich gerade durch Offenheit und verschiedene mögliche Interpretationen aus.]

Das letzte Bild erscheint mir das schwierigste zu sein, was die Einordnung angeht. Einige Schüler argumentieren, dass die Brautleute für den Fotografen ›posen‹ und sich selbst gut darstellen wollen, sich also in Szene setzen. Das reicht für inszenierte Fotografie NICHT aus. Vielmehr ist auch eine Hochzeit ein Geschehen des täglichen Lebens, wie eine Geburtstagsfeier oder ein Kirmesbesuch. Macht man von solchen Ereignissen ein Erinnerungsfoto, ist das keine ›Inszenierte Fotografie‹. Dies haben andere Kursteilnehmer auch erkannt und so beschrieben. Es könnte hier allerdings ein ›Spezial-Fall‹ vorliegen. Wenn nämlich die beiden Personen gar nicht heiraten, sondern nur ein Brautpaar spielen, um mit dem Foto die Geschichte einer Hochzeit zu erzählen, wäre das Foto ein inszeniertes.

Ich hoffe, dass durch diese Informationen der Begriff der ›Inszenierten Fotografie‹ klarer geworden ist.

 

Aufgabe: 

Lesen Sie sich den Text bis zum 25.04.2021 durch.